Es kostete fast Überwindung, bei dem eisigen Wetter noch einmal vor
Weihnachten zu verreisen. Aber die Karten für „Rusalka“ waren ein guter
Grund. Außerdem lockt uns Dresden ja immer. Mit dem ICE, so dachten wir,
kämen wir auf die schnellste Weise an unser Ziel. Als dann ab Bremen
bereits der erste ICE wegen der Witterung ersatzlos ausfiel und die
verschiedenen Umsteigebahnhöfe mit immer kleineren und dichter besetzten
Bummelzügen bewältigt werden mussten, stellten wir uns auf eine längere
Fahrt ein… Abends standen wir dann doch in Erfurt vor der historischen Altstadt,
mit gotischen Kirchen, Renaissance-Giebeln, dem überragenden Dom, hoch
über der Stadt und mit seinen doppelten Türmen, nein Gebäuden und mit
einmaliger mittelalterlicher Tafelmalerei im Inneren. Vor den beiden
Synagogen, dem Rathaus und den vielen schmalen Straßen und verwinkelten
Gässchen. Zur Zeit aber auch in einem lebhaft besuchten Weihnachtsmarkt,
wie in Dresden und einem zweiten kleinen Barock-Weihnachtsmarkt auf dem
Domplatz. Menschen, Gedränge, Frauen mit lachenden pausbäckigen
Gesichtern, ihre Männer bärtig, eher schmal und mit tiefen Stimmen und
dazwischen kleine Kinder. Man bekommt freundlich Auskünfte und wird
sogar oft von Fremden mit einem“Hallo!“ begrüßt. So etwas ist man aus
großen Städten nicht gewohnt. Auch fällt uns auf, dass die
Weihnachtsmärkte und Lokale eher von Menschen aus der Umgebung besucht
werden als von Touristen. Überall hört man in den kleinen Gruppen die
thüringischen Klänge. Und die Großmütter scheinen ein besonders enges
Verhältnis zu den Kindern zu haben. Durch die Stadt und unter einigen
Häusern hindurch fließt in geteilten Armen die eifrige Gera. Wenn ich
eine westliche Stadt als Schwesterstadt zum Vergleich angeben sollte,
dann würde ich am Ehesten Bamberg nennen. Ähnlich geschichtsträchtig,
ähnlich romantisch und ähnlich freundlich erscheint mir die thüringische
Landeshauptstadt Erfurt zu sein.
Die Weiterreise fiel uns danach nicht leicht. Einerseits, weil wir wir
am nächsten Tag noch das alte jüdische Museum besuchen wollten. Dann
auch, weil der Zug von Erfurt nach Dresden derartig überfüllt war, dass
wir mit vielen anderen Fahrgästen wie die Sardinen im Gang stehen,
hocken oder lehnen mussten. Hier jedoch erlebten wir ein weiteres
bemerkenswertes Ereignis auf dieser Reise. In dem Waggon befand sich
nämlich eine Reisegruppe aus meist älteren Herrschaften, die aus der
französischen Schweiz angereist waren, um in Leipzig das
Weihnachtsoratorium von J. S. Bach „hautnah“ erleben zu können. Diese
Gruppe war bereits seit zwei Tagen unterwegs, hatte in Frankfurt kein
Flugzeug nehmen können, weil der Flughafen wegen des Schnees gesperrt
war. Sie hatte aus diesem Grund auch schon eine Vivaldi Oper in
Frankfurt versäumt und reiste nun, vom Veranstalter mit eckigen
Proviant-Tüten ausgestattet, fröhlich plaudernd in all der Enge weiter.
Kein einziges Mitglied der Gruppe sah unzufrieden oder mürrisch aus,
alle plauderten, lachten, einige boten uns immer wieder vorübergehend
ihre Plätze an. Die älteste Dame war 93 Jahre alt.
Die Oper dann am Samstag war eine Premiere. Wir erfuhren das erst von
dem Plakat vor der Oper. Unsere Befürchtung, dass eine moderne
Inszenierung Rusalkas Zauber zerstören könnte, traf zum Glück nicht ein.
Ein vorzügliches Sängeraufgebot, ganz wunderbare Stimmen waren ein
Hochgenuss. Die bemerkenswerte Rusalka (Tatiana Monogarova)kam aus Moskau, der strahlende Tenor (Zoltán Nyári) aus Ungarn, die dunkle Hexe (Tichina Vaughn) aus den USA und der jeder Lage gewachsene Wassermann (Georg Zeppenfeld), stammte aus dem Rheinland. Ein einfühlsames Orchester (Dirigent Tomás Netopil) vervollständigte die Musik. Auch die Psychologie der Inszenierung (Stefan Herheim) stimmte, obwohl mir eine konservativere Aufführung noch viel besser gefallen hätte.
Denn die meisten Opern bieten ja bereits durch ihren Gesang und durch
ihre Musik genug Aussage, so dass man der Intelligenz des
Opernbesuchers eigentlich mehr vertrauen könnte…
Semperoper Dresden
J. A.
—
Ähnliche Beiträge
Es kostete fast Überwindung, bei dem eisigen Wetter noch einmal vor
Weihnachten zu verreisen. Aber die Karten für „Rusalka“ waren ein guter
Grund. Außerdem lockt uns Dresden ja immer. Mit dem ICE, so dachten wir,
kämen wir auf die schnellste Weise an unser Ziel. Als dann ab Bremen
bereits der erste ICE wegen der Witterung ersatzlos ausfiel und die
verschiedenen Umsteigebahnhöfe mit immer kleineren und dichter besetzten
Bummelzügen bewältigt werden mussten, stellten wir uns auf eine längere
Fahrt ein… Abends standen wir dann doch in Erfurt vor der historischen Altstadt,
mit gotischen Kirchen, Renaissance-Giebeln, dem überragenden Dom, hoch
über der Stadt und mit seinen doppelten Türmen, nein Gebäuden und mit
einmaliger mittelalterlicher Tafelmalerei im Inneren. Vor den beiden
Synagogen, dem Rathaus und den vielen schmalen Straßen und verwinkelten
Gässchen. Zur Zeit aber auch in einem lebhaft besuchten Weihnachtsmarkt,
wie in Dresden und einem zweiten kleinen Barock-Weihnachtsmarkt auf dem
Domplatz. Menschen, Gedränge, Frauen mit lachenden pausbäckigen
Gesichtern, ihre Männer bärtig, eher schmal und mit tiefen Stimmen und
dazwischen kleine Kinder. Man bekommt freundlich Auskünfte und wird
sogar oft von Fremden mit einem“Hallo!“ begrüßt. So etwas ist man aus
großen Städten nicht gewohnt. Auch fällt uns auf, dass die
Weihnachtsmärkte und Lokale eher von Menschen aus der Umgebung besucht
werden als von Touristen. Überall hört man in den kleinen Gruppen die
thüringischen Klänge. Und die Großmütter scheinen ein besonders enges
Verhältnis zu den Kindern zu haben. Durch die Stadt und unter einigen
Häusern hindurch fließt in geteilten Armen die eifrige Gera. Wenn ich
eine westliche Stadt als Schwesterstadt zum Vergleich angeben sollte,
dann würde ich am Ehesten Bamberg nennen. Ähnlich geschichtsträchtig,
ähnlich romantisch und ähnlich freundlich erscheint mir die thüringische
Landeshauptstadt Erfurt zu sein.
Die Weiterreise fiel uns danach nicht leicht. Einerseits, weil wir wir
am nächsten Tag noch das alte jüdische Museum besuchen wollten. Dann
auch, weil der Zug von Erfurt nach Dresden derartig überfüllt war, dass
wir mit vielen anderen Fahrgästen wie die Sardinen im Gang stehen,
hocken oder lehnen mussten. Hier jedoch erlebten wir ein weiteres
bemerkenswertes Ereignis auf dieser Reise. In dem Waggon befand sich
nämlich eine Reisegruppe aus meist älteren Herrschaften, die aus der
französischen Schweiz angereist waren, um in Leipzig das
Weihnachtsoratorium von J. S. Bach „hautnah“ erleben zu können. Diese
Gruppe war bereits seit zwei Tagen unterwegs, hatte in Frankfurt kein
Flugzeug nehmen können, weil der Flughafen wegen des Schnees gesperrt
war. Sie hatte aus diesem Grund auch schon eine Vivaldi Oper in
Frankfurt versäumt und reiste nun, vom Veranstalter mit eckigen
Proviant-Tüten ausgestattet, fröhlich plaudernd in all der Enge weiter.
Kein einziges Mitglied der Gruppe sah unzufrieden oder mürrisch aus,
alle plauderten, lachten, einige boten uns immer wieder vorübergehend
ihre Plätze an. Die älteste Dame war 93 Jahre alt.
Die Oper dann am Samstag war eine Premiere. Wir erfuhren das erst von
dem Plakat vor der Oper. Unsere Befürchtung, dass eine moderne
Inszenierung Rusalkas Zauber zerstören könnte, traf zum Glück nicht ein.
Ein vorzügliches Sängeraufgebot, ganz wunderbare Stimmen waren ein
Hochgenuss. Die bemerkenswerte Rusalka (Tatiana Monogarova)kam aus Moskau, der strahlende Tenor (Zoltán Nyári) aus Ungarn, die dunkle Hexe (Tichina Vaughn) aus den USA und der jeder Lage gewachsene Wassermann (Georg Zeppenfeld), stammte aus dem Rheinland. Ein einfühlsames Orchester (Dirigent Tomás Netopil) vervollständigte die Musik. Auch die Psychologie der Inszenierung (Stefan Herheim) stimmte, obwohl mir eine konservativere Aufführung noch viel besser gefallen hätte.
Denn die meisten Opern bieten ja bereits durch ihren Gesang und durch
ihre Musik genug Aussage, so dass man der Intelligenz des
Opernbesuchers eigentlich mehr vertrauen könnte…
Semperoper Dresden
J. A.
—
Ähnliche Beiträge