Erinnerung an einen Opernbesuch mit unserer Freundin Karin
Bayreuths Wagner ist nicht nur der eine Wagner! Jedenfalls staunt man, wenn man den Stadtplan dieser kleinen 80 000 Einwohner zählenden Stadt Bayreuth studiert. Hier scheint der ganze Ort von Wagnerstraßen durchzogen zu sein! „Richard-Wagner-Straße“, „Cosima-Wagner-Straße“, „Wieland-Wagner- Straße“, dazu kommen noch die ganzen Nibelungen-Helden Straßen aus den Wagner Opern…. Nur irgendwo am Rand führen auch eine „Friedrich-Schiller- Straße“ und eine bescheidene „Bahnhofstraße“ zum Ziel.
Aber wenn man aus dem Zug tritt, fällt einem sofort diese grün bewachsene Erhebung mit dem riesigen Briefkasten auf: der Grüne Hügel und das Festspielhaus!
Wenn man dann später vor diesem ungewöhnlichen Opernhaus steht, gefällt es einem doch. Aus einer großzügigen Parklandschaft erhebt sich der eckige Bau mit seinem halbrunden Balkon, von dem aus jeder Akt durch mehrere Bläser „eingeläutet“ wird.
Die Gäste sind opernmäßig aber nur selten prunkvoll gekleidet. Die Bläser sollen dort die einzigen angekleideten Orchestermusiker sein. Die übrigen Musiker würden normalerweise im Unterhemd spielen. Denn das ganze riesige Orchester hockt tief verborgen vor der Bühne, im stickigen Untergrund. Der volle, deutliche Ton wird von dort aus durch eine besonders raffinierte Bauweise und über eine Spiegelfläche zu uns geleitet. Die Sänger erfahren ihren Einsatz über Monitor. Und alle Stühle im Saal, bis auf die hinteren Logenplätze, sind wegen dieser besonderen Akustik aus blankem Holz gebaut. (Weshalb sich ein erfahrener Opernbesucher immer ein kleines Sitzkissen mit bringt und unter dem Arm trägt, woran man diese Erfahrenheit schon erkennen kann! Denn normalerweise bekommt ein Mensch nur einmal die Gelegenheit auf diesen Holzstühlen zu sitzen… Dass wir unsere Karten sogar zu normalen Opernkartenpreisen bekamen, gleicht fast schon einem kleinen Lottogewinn!)
Die Kulisse ist auf eine Drehbühne, ähnlich wie in Prag aufgebaut. Und wenn unsere Aufführung nicht durch diese wirr durcheinander flackernden, wirbelnden Videobilder gestört wäre, so hätte man die Oper in diesem wunderbaren Raum und mit einem hervorragenden Chor und Orchester sowie sehr guten Sängern voll genießen können! Aber auch mit schmerzenden Augen, war diese Oper ein Ereignis, das ich nicht missen möchte! Und, obwohl ich die Ansicht von Christoph Schlingensief, der auch anwesend war, nicht teile, so konnte ich seine Philosophie zumindest nachvollziehen.
Während bei Richard Wagner noch als Aussage zu seinem Parsifal zu finden ist, dass das wahre Mitgefühl nur durch den selber schuldig gewordenen Menschen erlangt werden kann, befasst sich Schlingensief viel umfassender mit dem Thema Schuld, Sühne und Erlösung. Er bemüht dabei die ganze Menschheit, vom Anbeginn des Sündenfalls und der (nackten) Urmutter Eva, über alle Generationen und Zeiten hinweg. Und er schließt diese endlose Reihe, nach einem Christus-Vergleich ganz pessimistisch mit der völlig vom Christentum und auch von Wagner abweichenden Aussage, dass die Erlösung nur durch den Tod möglich sei.
Die Oper Parsifal dauerte übrigens 6 Stunden, davon 4 reine Singstunden und zwei eingestreute Pausenstunden. Die Zeit aber verging wie im Flug! Wobei die freundliche Gemütlichkeit der kleinen fränkischen Stadt irgenwie sogar in den Pausen auf die Gäste überging, viele miteinander ins Gespräch brachte und dem „Wagner-Kult“ seine heilige Strenge nahm.
So soll in Bayreuth ja Richard Wagner selber auch endlich zum „normalen Menschen“ geworden sein! Und sein „Haus Wahnfried“ soll bedeuten, dass er hier endlich seinen inneren Frieden gefunden hatte.
Man kann es sich vorstellen, wenn man das ruhige Haus betritt, in diesem Park mit alten, schönen Bäumen. (Ganz in der Nähe befinden sich auch noch das Jean-Paul und das Franz-Liszt-Museum.)
Angenehm freundlich und geduldig wirken in Bayreuth auch alle Leute in den Geschäften und in der großen Fußgängerzone, wo noch, gegenüber einem mächtigen Springbrunnen, das entzückende „Markgräfliche Theater“ steht. Ein ganz plüschiges Barocktheater, in dem jetzt Vivaldistücke und Händelopern aufgeführt werden. Die Stadt Bayreuth verdankt es der Schwester des Preußenkönigs, Friedrich II, Wilhelmine von Preußen.
Noch eine nette Geschichte konnten wir zum Abschluss in der kleinen Synagoge, die sich genau an dieses Theater schmiegt, erfahren:
Als seinerzeit die Nationalsozialisten auch diese Synagoge anzünden wollten, befürchteten sie ein Übergreifen des Feuers auf das barocke Operngebäude und verzichteten. Später, als die Amerikaner die Oper bombardieren wollten, befürchteten sie ein Übergreifen der Flammen auf die Synagoge und ließen die Oper stehen. So hat das eine Gebäude das andere gerettet!
Ein junger Rabbiner erzählte später diese Geschichte, während er uns freundlich führte.
J. A.
P. S In dem „Haus Wahnfried“, fanden wir auch ein Foto und wichtige Daten über den „Tenor Walter Geisler“, den Vater meiner alten Freundin Christa Geisler-Atkinson.
P. S. Aus dem „Tagesspiegel“ von 2007 zitiere ich hier noch folgenden Text zu Schlingensiefs Parsifal:
Musikalisch bot Dirigent Adam Fischer eine genaue, wenn auch zeitweise etwas schleppende Interpretation, die sich einfühlsam auf die Sänger einstellte. Hier imponierten besonders Evelyn Herlitzius als äußerst wandlungsfähige Kundry und Jukka Rasilainen als leidender Gralskönig Amfortas. Alfons Eberz agierte als Parsifal kraftvoll, Karsten Mewes gab einen dämonisch-drohenden Klingsor. Robert Holl sang den Gurnemanz, Artur Korn den Titurel. Die Richard-Wagner-Festspiele dauern noch bis zum 28. August. (mit dpa)
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Aber wenn man aus dem Zug tritt, fällt einem sofort diese grün bewachsene Erhebung mit dem riesigen Briefkasten auf: der Grüne Hügel und das Festspielhaus!
Wenn man dann später vor diesem ungewöhnlichen Opernhaus steht, gefällt es einem doch. Aus einer großzügigen Parklandschaft erhebt sich der eckige Bau mit seinem halbrunden Balkon, von dem aus jeder Akt durch mehrere Bläser „eingeläutet“ wird.
Die Gäste sind opernmäßig aber nur selten prunkvoll gekleidet. Die Bläser sollen dort die einzigen angekleideten Orchestermusiker sein. Die übrigen Musiker würden normalerweise im Unterhemd spielen. Denn das ganze riesige Orchester hockt tief verborgen vor der Bühne, im stickigen Untergrund. Der volle, deutliche Ton wird von dort aus durch eine besonders raffinierte Bauweise und über eine Spiegelfläche zu uns geleitet. Die Sänger erfahren ihren Einsatz über Monitor. Und alle Stühle im Saal, bis auf die hinteren Logenplätze, sind wegen dieser besonderen Akustik aus blankem Holz gebaut. (Weshalb sich ein erfahrener Opernbesucher immer ein kleines Sitzkissen mit bringt und unter dem Arm trägt, woran man diese Erfahrenheit schon erkennen kann! Denn normalerweise bekommt ein Mensch nur einmal die Gelegenheit auf diesen Holzstühlen zu sitzen… Dass wir unsere Karten sogar zu normalen Opernkartenpreisen bekamen, gleicht fast schon einem kleinen Lottogewinn!)
Die Kulisse ist auf eine Drehbühne, ähnlich wie in Prag aufgebaut. Und wenn unsere Aufführung nicht durch diese wirr durcheinander flackernden, wirbelnden Videobilder gestört wäre, so hätte man die Oper in diesem wunderbaren Raum und mit einem hervorragenden Chor und Orchester sowie sehr guten Sängern voll genießen können! Aber auch mit schmerzenden Augen, war diese Oper ein Ereignis, das ich nicht missen möchte! Und, obwohl ich die Ansicht von Christoph Schlingensief, der auch anwesend war, nicht teile, so konnte ich seine Philosophie zumindest nachvollziehen.
Während bei Richard Wagner noch als Aussage zu seinem Parsifal zu finden ist, dass das wahre Mitgefühl nur durch den selber schuldig gewordenen Menschen erlangt werden kann, befasst sich Schlingensief viel umfassender mit dem Thema Schuld, Sühne und Erlösung. Er bemüht dabei die ganze Menschheit, vom Anbeginn des Sündenfalls und der (nackten) Urmutter Eva, über alle Generationen und Zeiten hinweg. Und er schließt diese endlose Reihe, nach einem Christus-Vergleich ganz pessimistisch mit der völlig vom Christentum und auch von Wagner abweichenden Aussage, dass die Erlösung nur durch den Tod möglich sei.
Die Oper Parsifal dauerte übrigens 6 Stunden, davon 4 reine Singstunden und zwei eingestreute Pausenstunden. Die Zeit aber verging wie im Flug! Wobei die freundliche Gemütlichkeit der kleinen fränkischen Stadt irgenwie sogar in den Pausen auf die Gäste überging, viele miteinander ins Gespräch brachte und dem „Wagner-Kult“ seine heilige Strenge nahm.
So soll in Bayreuth ja Richard Wagner selber auch endlich zum „normalen Menschen“ geworden sein! Und sein „Haus Wahnfried“ soll bedeuten, dass er hier endlich seinen inneren Frieden gefunden hatte.
Man kann es sich vorstellen, wenn man das ruhige Haus betritt, in diesem Park mit alten, schönen Bäumen. (Ganz in der Nähe befinden sich auch noch das Jean-Paul und das Franz-Liszt-Museum.)
Angenehm freundlich und geduldig wirken in Bayreuth auch alle Leute in den Geschäften und in der großen Fußgängerzone, wo noch, gegenüber einem mächtigen Springbrunnen, das entzückende „Markgräfliche Theater“ steht. Ein ganz plüschiges Barocktheater, in dem jetzt Vivaldistücke und Händelopern aufgeführt werden. Die Stadt Bayreuth verdankt es der Schwester des Preußenkönigs, Friedrich II, Wilhelmine von Preußen.
Noch eine nette Geschichte konnten wir zum Abschluss in der kleinen Synagoge, die sich genau an dieses Theater schmiegt, erfahren:
Als seinerzeit die Nationalsozialisten auch diese Synagoge anzünden wollten, befürchteten sie ein Übergreifen des Feuers auf das barocke Operngebäude und verzichteten. Später, als die Amerikaner die Oper bombardieren wollten, befürchteten sie ein Übergreifen der Flammen auf die Synagoge und ließen die Oper stehen. So hat das eine Gebäude das andere gerettet!
Ein junger Rabbiner erzählte später diese Geschichte, während er uns freundlich führte.
J. A.
P. S In dem „Haus Wahnfried“, fanden wir auch ein Foto und wichtige Daten über den „Tenor Walter Geisler“, den Vater meiner alten Freundin Christa Geisler-Atkinson.
P. S. Aus dem „Tagesspiegel“ von 2007 zitiere ich hier noch folgenden Text zu Schlingensiefs Parsifal:
Musikalisch bot Dirigent Adam Fischer eine genaue, wenn auch zeitweise etwas schleppende Interpretation, die sich einfühlsam auf die Sänger einstellte. Hier imponierten besonders Evelyn Herlitzius als äußerst wandlungsfähige Kundry und Jukka Rasilainen als leidender Gralskönig Amfortas. Alfons Eberz agierte als Parsifal kraftvoll, Karsten Mewes gab einen dämonisch-drohenden Klingsor. Robert Holl sang den Gurnemanz, Artur Korn den Titurel. Die Richard-Wagner-Festspiele dauern noch bis zum 28. August. (mit dpa)
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