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Pentenrieder Kinderspiele und kein echter Römer

Pentenrieder Kinderspiele

Artefakte und ein falscher Römer

An den Nachmittagen, trafen wir uns am liebsten mit unseren Freunden im Freien. Meistens im nahen Fichtenwald, wo sich unter den Wurzeln umgestürzter Bäume unsere Moos-Höhlen befanden. Wenn wir dort wieder hervor krochen, klebten Moosteilchen und Tannen-Nadeln an Schultern und Haaren. In diesen Lichtungen wuchsen auch die kleinen, feinen Walderdbeeren, die wir auf Strohhalme spießten sowie die besten Himbeeren.

Oder wir liefen zum Unterbrunner Forst, wo man sich bequem in das weiche Waldgras setzen und lesen konnte. Im Herbst fand man dort auch Pilze. Vor allem die klebrigen Schlüpferlinge und Birkenpilze. Manchmal kletterten wir dort auch nur auf die großen Buchen, um uns zu verstecken.

Dann gab es in der Nähe noch ein kleines Wäldchen, das wie eine Insel zwischen Wiesen und Feldern lag. Umkränzt von Fichten, die einem die Wangen zerkratzten, wenn man durch ihre dürren Zweige hindurch kroch. Unsere Eltern warnten uns, in diesen finsteren Wald zu gehen. Es kursierte die Geschichte, dass sich in dem Wäldchen ein schlecht abgedeckter Brunnen befände, in dem man versinken könne.

Einen besonders beliebten Treffpunkt jedoch bildete eine ehemalige Kiesgrube. Eine stillgelegte Abräumhalde, die sich mit ihren steilen Hängen und überwucherten Terrassen wie eine winzige Gebirgslandschaft ausnahm. Wilde Hollerbüsche, ausgetretene Haselnusssträucher, junge Kiefern und Birken bildeten den Rahmen für unsere fantasievollen Spiele.

Denn die Computer oder Fernsehzeit war noch nicht gekommen…

Alles, was wir uns ausdachten, sogar die alten Römer, konnte man in dieser Kiesgrube finden! Über diese archäologischen Funde, will ich kurz berichten.

Obwohl Pentenried zur Gemeinde Krailling gehörte, wurden alle Kinder in Gauting beschult. Gauting liegt nur etwa 3 Kilometer entfernt, gleich hinter dem Wald. Ein großer Flecken, mit alteingesessenen Bewohnern. Einige Bauern gab es damals noch, einige zugezogene Familien und sogar ein paar Künstler, die den Ort für sich entdeckt hatten.

Die Legende erzählt, dass Karl der Große in der Gautinger Reismühle geboren war, so dass die Gemeinde ein Mühlrad und eine Kaiserkrone in ihrem Wappen tragen durfte.

Doch, trotz dieser großartigen heraldischen Vergangenheit, lebte der Ort immer im Schatten von Starnberg.

Bis sich die Nachricht verbreitete, dass sich in Gauting und Buchendorf* eine alte römische Siedlung befunden hatte! 1 200 Jahre alte Reste von römischen Häusern sowie Münzen, Schmuck, Töpfe und andere Gebrauchsgegenstände wurden geborgen!

Mit unserer Klasse durften wir bereits die allerersten Fundstücke in der Gautinger Sparkasse sehen: Dunkle Münzen, zusammen geklebte Vasen, kleine Schüsseln.

Ohne die Begeisterung unseres Lehrers, Herrn Hatai, wären wir jedoch wohl kaum so angeregt worden. Denn plötzlich wollten auch wir Kinder solche alten Schätze finden!

Schon am gleichen Nachmittag mussten die nötigen Arbeiten dafür beginnen!

Unsere Mutter wirkte nicht sehr begeistert, dass wir in der Erde wühlen wollten.

Aber, nachdem gerade das Gerücht umging, ein nackter Mann treibe sich im Kreuzlinger Forst** herum, war es ihr doch lieber, uns in der Nähe zu wissen. Der Unbekannte hätte bereits einige Frauen beim Himbeerpflücken erschreckt! Da sollten wir nicht gerade im Wald spielen!

Wir durften sogar ihre kleine Hacke und einen alten Spaten mitnehmen. Und mussten nur versprechen, die Werkzeuge wieder zurück zu bringen.

Ich weiß nicht mehr, welche Pentenrieder Kinder damals mit dabei waren. Vermutlich werden sich die Betroffenen selber am Besten erinnern…

Jedenfalls fingen wir gleich am hinteren Steilhang im Sand zu graben an. Und schon nach wenigen Spatenstichen, hielten wir die ersten Scherben in der Hand! Unsere Freude war riesengroß! Die gefundenen Schätze mussten nur noch etwas im Gras gereinigt werden. Und schon lagen sie auf unserem provisorischen Regal, das aus einem breiten Brett bestand.

Ein rostiges Eisen sah wie eine Lanze aus. Vor allem aber gab es viele unterschiedliche Scherben.

Vor Eifer vergaßen wir bald alles um uns herum. Der Nachmittag verging so schnell, dass wir die Stunden nicht bemerkten. Und jedes Mal, wenn einer von uns etwas Verrostetes, Hartes oder Tönernes fand, begann er zu Jubeln. „Salve!“ riefen wir einigen vorübergehenden Leuten fröhlich zu, weil es das einzige lateinische Wort war, das wir kannten.

Ein pensionierter Lehrer, ich glaube, es war der Oberlehrer Elsner, der mit Herrn Schuldes Heinrich vom nahen Rezniczek – Laden kam, stellte sich zu unseren ausgegrabenen Stücken.

„Hm,“ schmunzelte er. „Das sind ja ganz großartige Funde! Die dürft Ihr aber nicht mit nach Hause nehmen. Die müsst Ihr später abgeben.“ Er spazierte lachend weiter.

Auch einige andere Passanten bewunderten unsere Ausbeute. Wir würden sicher noch den Römerschatz finden, der hier irgendwo vergraben sein soll!

Relief aus Aub

Dann starrte plötzlich ein echter Römer von dem obersten Absatz des Hanges zu uns herunter! Ganz entrückt sah er aus, wie aus längst vergangenen Welten! Die Haare wirr, das leere Gesicht, die angestrengten Augen. Doch, soweit man sehen konnte, trug er jetzt keine Tunika.

Am nächsten Nachmittag goss es richtige Wasserfälle vom Himmel. Natürlich hatten wir vergessen, das Werkzeug zurück zu bringen, so dass unsere Mutter es sich selber zusammensuchen musste. Völlig nass kam sie wieder zurück und schimpfte über unsere Unzuverlässigkeit. Außerdem hätten wir ja die alte, stillgelegte Mülldeponie ziemlich gut durchwühlt.

Dabei hatten wir leider keine archäologischen Artefakte, sondern lediglich Müllscherben gefunden.

Immerhin durften wir jetzt wieder im Wald spielen, wenn das Wetter besser war. Der nackte Mann war kurz hinter Pentenried, gleich bei der Römerstraße gefasst worden.

J. A.

Weg im Kreuzlinger Forst

 

*Die sogenannte Römerschanze in Buchendorf hielt mein Vater damals schon für ein altes keltisches Heiligtum

**Kreuzlinger Forst heißt das große, schöne Waldgebiet, das sich an Pentenried anschließt. Es reicht bis nach Krailling/Maria-Eich und sogar bis nach Planegg. Unser Vati fuhr dort täglich und bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zum „Würmtal Wasserverband“.