Unser Onkel Gustl – 26. Mai 1921 bis 17. Mai 2011
Er war ein tief bescheidener Mann, von dem wir alle wussten, dass sein Lebensweg durch den zweiten Welt-Krieg als Sanitätssoldat in Weißrussland und durch seine langjährige Gefangenschaft in Sibirien, auch durch den Verlust der Heimat – eine völlig andere Richtung genommen hatte.
Von Kindheit an ein ernster, stiller, nachdenklicher Mensch, zog er sich nach seiner Rückkehr als Spätheimkehrer Jahre lang noch tiefer in sich selbst zurück. Er lachte selten und wollte lange Zeit nicht über die schrecklichen Jahre seiner verlorenen Jugend reden.
Trost und Kraft gaben ihm die Musik und hier vor allem seine Violine, die er seit der Kindheit vorzüglich spielen konnte. Dazu kam das Singen im Passauer Domchor. Er liebte auch das Wandern in den Alpen oder im Bayerischen Wald. Skifahren und Schwimmen gehörten zu seinen besten Sportarten. Daneben unternahm er viele schöne Ausflüge mit seiner Mutter nach Österreich. Oft war auch Frau Luise Süß mit dabei.
Anfangs fuhren sie mit dem Motorrad weg, später mit dem Fiat.
Onkel Gustl interessierte sich sehr für die Baukunst und für alte Eisenbahnen. Gerne besuchte er später seine Angehörigen in Wien, in München, in Nürnberg und kam auch mehrmals zu uns und nach Bremen und Hamburg. Hier wanderte er stundenlang durch die Städte und interessierte sich für alles so genau, dass man manchmal in Erklärungsnot kam.
Gustav Franzl war als 5. Kind des Bäckermeisters Gustav Franzl und seiner Ehefrau Johanna in Zöptau geboren. Er war als Sohn, nach vier Schwestern, der ersehnte „Stammhalter“. Nach ihm kam noch ein Bruder zur Welt.
Gustls Geburt fiel auf einen sonnigen Fronleichnamstag, weswegen die ganze Prozession in Zöptau noch einmal am Berg umkehrte, um dem neugeborenen Kind und seinen Eltern ein Ständchen zu bringen.
Dies war vielleicht der unbewusste Grund, weshalb der spätere Ministrant einmal Pfarrer werden wollte?
Nun, Pfarrer wurde er nicht , sondern begann nach dem Besuch des Schönberger Gymnasiums eine Ausbildung als Buchhalter bei den Zöptauer Velamos – Fahrrad Werken.
Als Buchhalter arbeitete er später auch in Passau für ein bekanntes Textilhaus, das es heute nicht mehr gibt.
Hervorzuheben wäre noch sein liebevoller, nie einengender, stets taktvoller Umgang mit seiner alten Mutter, unserer geliebten Passauer Oma! Bis kurz vor ihrem Lebensende, mit fast 100 Jahren, konnte sie bei ihrem Sohn wohnen.
Wenn ich heute an unseren Onkel Gustl denke, fällt mir sein leichtes Schmunzeln ein und sein stiller Humor, den er trotz mancher Bitterkeit besaß.
Und auch seine Treue zur Familie, zu seinen Schwestern, seinen Nichten und Neffen. Wie auch ein Leben lang zur alten Heimat und zum katholischen Glauben.
Seine handgeschriebenen Karten und seine regelmäßigen Anrufe werden uns sehr fehlen.
Er starb am 17. Mai 2011, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag.
Foto: Es kamen schließlich doch noch viele glückliche Tage für den Spätheimkehrer! Gustav Emanuel Franzl in den geliebten Alpen.
In meinem Buch „Grenzwege“ erzähle ich in der dritten Erzählung sein Schicksal, leicht verfremdet.
J. A.
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Er war ein tief bescheidener Mann, von dem wir alle wussten, dass sein Lebensweg durch den zweiten Welt-Krieg als Sanitätssoldat in Weißrussland und durch seine langjährige Gefangenschaft in Sibirien, auch durch den Verlust der Heimat – eine völlig andere Richtung genommen hatte.
Von Kindheit an ein ernster, stiller, nachdenklicher Mensch, zog er sich nach seiner Rückkehr als Spätheimkehrer Jahre lang noch tiefer in sich selbst zurück. Er lachte selten und wollte lange Zeit nicht über die schrecklichen Jahre seiner verlorenen Jugend reden.
Trost und Kraft gaben ihm die Musik und hier vor allem seine Violine, die er seit der Kindheit vorzüglich spielen konnte. Dazu kam das Singen im Passauer Domchor. Er liebte auch das Wandern in den Alpen oder im Bayerischen Wald. Skifahren und Schwimmen gehörten zu seinen besten Sportarten. Daneben unternahm er viele schöne Ausflüge mit seiner Mutter nach Österreich. Oft war auch Frau Luise Süß mit dabei.
Anfangs fuhren sie mit dem Motorrad weg, später mit dem Fiat.
Onkel Gustl interessierte sich sehr für die Baukunst und für alte Eisenbahnen. Gerne besuchte er später seine Angehörigen in Wien, in München, in Nürnberg und kam auch mehrmals zu uns und nach Bremen und Hamburg. Hier wanderte er stundenlang durch die Städte und interessierte sich für alles so genau, dass man manchmal in Erklärungsnot kam.
Gustav Franzl war als 5. Kind des Bäckermeisters Gustav Franzl und seiner Ehefrau Johanna in Zöptau geboren. Er war als Sohn, nach vier Schwestern, der ersehnte „Stammhalter“. Nach ihm kam noch ein Bruder zur Welt.
Gustls Geburt fiel auf einen sonnigen Fronleichnamstag, weswegen die ganze Prozession in Zöptau noch einmal am Berg umkehrte, um dem neugeborenen Kind und seinen Eltern ein Ständchen zu bringen.
Dies war vielleicht der unbewusste Grund, weshalb der spätere Ministrant einmal Pfarrer werden wollte?
Nun, Pfarrer wurde er nicht , sondern begann nach dem Besuch des Schönberger Gymnasiums eine Ausbildung als Buchhalter bei den Zöptauer Velamos – Fahrrad Werken.
Als Buchhalter arbeitete er später auch in Passau für ein bekanntes Textilhaus, das es heute nicht mehr gibt.
Hervorzuheben wäre noch sein liebevoller, nie einengender, stets taktvoller Umgang mit seiner alten Mutter, unserer geliebten Passauer Oma! Bis kurz vor ihrem Lebensende, mit fast 100 Jahren, konnte sie bei ihrem Sohn wohnen.
Wenn ich heute an unseren Onkel Gustl denke, fällt mir sein leichtes Schmunzeln ein und sein stiller Humor, den er trotz mancher Bitterkeit besaß.
Und auch seine Treue zur Familie, zu seinen Schwestern, seinen Nichten und Neffen. Wie auch ein Leben lang zur alten Heimat und zum katholischen Glauben.
Seine handgeschriebenen Karten und seine regelmäßigen Anrufe werden uns sehr fehlen.
Er starb am 17. Mai 2011, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag.
Foto: Es kamen schließlich doch noch viele glückliche Tage für den Spätheimkehrer! Gustav Emanuel Franzl in den geliebten Alpen.
In meinem Buch „Grenzwege“ erzähle ich in der dritten Erzählung sein Schicksal, leicht verfremdet.
J. A.
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