Endlich im Westen – Bei der Großmutter in Winden (Hallertau)
Winden könnte man sich als kleinen Ableger von Flöhau vorstellen: Eine hügelige Landschaft, umkränzt von grünem Nadelwald, dazwischen die ockerfarbenen Roggen- oder Weizenfelder. Weite Wiesen, wo hellbraun gefleckte Kühe grasen. Alte Obstbäume endlang der Landstraße, bis zu den Höfen hin. Und immer wieder diese wilden Heckenrosen an sonnigen Hohlwegen. Vor allem aber erinnerten uns die zahlreichen Hopfenfelder, wie in einem schönen Traum, noch einmal an die Landschaft um Flöhau.
Freilich waren die niederbayerischen Höfe etwas kleiner und die Erhebungen auch merklich flacher. Außerdem schien die Erde hier weniger fett zu sein als in dem fruchtbaren Goldbachtal.
Und es gab sumpfige Stellen und Moorgräben, die von hellgrünem Schilf umsäumt, die tieferen Täler durchtrennten.
Man konnte zwar über diese Gräben hinüberspringen, wenn man richtig Anlauf nahm. Aber oft landete man mit seinen bloßen Füßen nur im stacheligen Schilf. Oder platschte ungeschickt in das flache Wasser hinein, das von schwarzen Wasserkäfern und von Blutegeln wimmelte.
Omas Häuschen war das einzige Wohnhaus, das nicht zu einem Bauernhof gehörte. Von der Straße her, musste man einen schmalen Weg zwischen mehreren Obstbäumen hoch gehen. Dann sah man schon den spitzen Giebel und die Bank, die an der Hauswand stand. Und man stieg über drei ausgetretene Steinstufen zum Eingang. Rechts und links davon waren die vorderen Fenster, zu Omas Räumen. Aber wenn man den düsteren Flur von der Eingangstür nach hinten zu ging, sah man, neben einer Wasserpumpe mit eisernem Schwängel, noch zwei Türen rechts und links und auch ein rückwärtiges Fenster.
Die beiden hinteren Räume bewohnte eine sehr alte Bäuerin, der das Häuschen gehörte. Sie hatte es von ihrem geschiedenen Mann geerbt und lebte äußerst zurück gezogen in ihren Zimmerchen. Nur manchmal bekam sie besondere Stimmen zu hören, mit denen sie dann laut sprach und sich stritt und immer wieder vom „Hexenradl“ redete.
Wir Kinder spürten kein Verlangen, in ihre „Hexenstuben“ zu gehen, sondern huschten, wenn wir für unsre Oma an der Pumpe Wasser holen sollten, so schnell es ging, mit unserem Blecheimer wieder nach vorne. Wo uns die gemütliche Wohnküche, mit dem großen Eisenherd und dem breiten Sofa hinter einem hohen Holztisch aufnahm. Das Feuer im Ofen wurde jeden Morgen sehr zeitig von unserer Großmutter entzündet, damit das Wasser im hinteren Kessel warm wurde, mit dem sie später die Waschschüsseln füllte.
Außer dem Wasser holen, gab es für uns Kinder noch andere Mutproben, die wir täglich zu bestehen hatten. Da war zum Beispiel das Plumpsklo hinter dem Haus, das genau an den Abhang des Berges gebaut war. Und wenn der Wind an dem Holzhäuschen rüttelte, fürchteten wir, gemeinsam mit der ganzen Vorrichtung sogleich in den Abgrund zu segeln.
In den ersten Tagen nach unserer Ankunft, baute unser Vater eine große Schaukel aus jungen Baumstämmen hinter Omas Haus. Dazu einen Reck, einen Barren und ein Gestell mit Ringen, die er von seiner Schwarzarbeit aus München mit gebracht hatte.
So schaukelten oder turnten wir oft stundenlang auf diesen selbst gebauten Geräten oder tobten mit Max herum, dem schönen, schwarzen Mischlingshund, den meine Oma von einem Bauern bekommen hatte.
Am liebsten aber spielten wir ein selbst ausgedachtes Kampfspiel, das sich zwischen zwei Gruppen zutrug, die nur in unserer Phantasie bestanden. Mein Bruder und ich rannten dabei laut schreiend um das Haus herum und durch den steinernen Gang mit der Pumpe und das hintere Fenster. Dann fochten wir als mutige Krieger wild in der Luft, um die unsichtbaren bösen Feinde schließlich zu besiegen.
Und um dann befreit und erleichtert wieder in Omas Küche einzuziehen, wo unsere Mutter schon im Schein der Petroleumlampe auf uns wartete. Oft hatte sie für den Abend ein ruhigeres Spiel mit Omas gesammelten Knöpfen oder eine selbst ausgedachte Geschichte vorbereitet.
Unseren Vati sahen wir in dieser Zeit nur selten. Er arbeitete als Schwarzarbeiter in München an verschiedenen kriegszerstörten Gebäuden. Nachdem er die Grenze illegal überschritten hatte, wurde er nicht als Flüchtling anerkannt. Er erhielt nur die Genehmigung, seinen Bruder zu besuchen.
J. A.
Foto – Hopfenfeld in der Hallertau
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Freilich waren die niederbayerischen Höfe etwas kleiner und die Erhebungen auch merklich flacher. Außerdem schien die Erde hier weniger fett zu sein als in dem fruchtbaren Goldbachtal.
Und es gab sumpfige Stellen und Moorgräben, die von hellgrünem Schilf umsäumt, die tieferen Täler durchtrennten.
Man konnte zwar über diese Gräben hinüberspringen, wenn man richtig Anlauf nahm. Aber oft landete man mit seinen bloßen Füßen nur im stacheligen Schilf. Oder platschte ungeschickt in das flache Wasser hinein, das von schwarzen Wasserkäfern und von Blutegeln wimmelte.
Omas Häuschen war das einzige Wohnhaus, das nicht zu einem Bauernhof gehörte. Von der Straße her, musste man einen schmalen Weg zwischen mehreren Obstbäumen hoch gehen. Dann sah man schon den spitzen Giebel und die Bank, die an der Hauswand stand. Und man stieg über drei ausgetretene Steinstufen zum Eingang. Rechts und links davon waren die vorderen Fenster, zu Omas Räumen. Aber wenn man den düsteren Flur von der Eingangstür nach hinten zu ging, sah man, neben einer Wasserpumpe mit eisernem Schwängel, noch zwei Türen rechts und links und auch ein rückwärtiges Fenster.
Die beiden hinteren Räume bewohnte eine sehr alte Bäuerin, der das Häuschen gehörte. Sie hatte es von ihrem geschiedenen Mann geerbt und lebte äußerst zurück gezogen in ihren Zimmerchen. Nur manchmal bekam sie besondere Stimmen zu hören, mit denen sie dann laut sprach und sich stritt und immer wieder vom „Hexenradl“ redete.
Wir Kinder spürten kein Verlangen, in ihre „Hexenstuben“ zu gehen, sondern huschten, wenn wir für unsre Oma an der Pumpe Wasser holen sollten, so schnell es ging, mit unserem Blecheimer wieder nach vorne. Wo uns die gemütliche Wohnküche, mit dem großen Eisenherd und dem breiten Sofa hinter einem hohen Holztisch aufnahm. Das Feuer im Ofen wurde jeden Morgen sehr zeitig von unserer Großmutter entzündet, damit das Wasser im hinteren Kessel warm wurde, mit dem sie später die Waschschüsseln füllte.
Außer dem Wasser holen, gab es für uns Kinder noch andere Mutproben, die wir täglich zu bestehen hatten. Da war zum Beispiel das Plumpsklo hinter dem Haus, das genau an den Abhang des Berges gebaut war. Und wenn der Wind an dem Holzhäuschen rüttelte, fürchteten wir, gemeinsam mit der ganzen Vorrichtung sogleich in den Abgrund zu segeln.
In den ersten Tagen nach unserer Ankunft, baute unser Vater eine große Schaukel aus jungen Baumstämmen hinter Omas Haus. Dazu einen Reck, einen Barren und ein Gestell mit Ringen, die er von seiner Schwarzarbeit aus München mit gebracht hatte.
So schaukelten oder turnten wir oft stundenlang auf diesen selbst gebauten Geräten oder tobten mit Max herum, dem schönen, schwarzen Mischlingshund, den meine Oma von einem Bauern bekommen hatte.
Am liebsten aber spielten wir ein selbst ausgedachtes Kampfspiel, das sich zwischen zwei Gruppen zutrug, die nur in unserer Phantasie bestanden. Mein Bruder und ich rannten dabei laut schreiend um das Haus herum und durch den steinernen Gang mit der Pumpe und das hintere Fenster. Dann fochten wir als mutige Krieger wild in der Luft, um die unsichtbaren bösen Feinde schließlich zu besiegen.
Und um dann befreit und erleichtert wieder in Omas Küche einzuziehen, wo unsere Mutter schon im Schein der Petroleumlampe auf uns wartete. Oft hatte sie für den Abend ein ruhigeres Spiel mit Omas gesammelten Knöpfen oder eine selbst ausgedachte Geschichte vorbereitet.
Unseren Vati sahen wir in dieser Zeit nur selten. Er arbeitete als Schwarzarbeiter in München an verschiedenen kriegszerstörten Gebäuden. Nachdem er die Grenze illegal überschritten hatte, wurde er nicht als Flüchtling anerkannt. Er erhielt nur die Genehmigung, seinen Bruder zu besuchen.
J. A.
Foto – Hopfenfeld in der Hallertau
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