Noch eine Geschichte aus der Kindheit
Kinder-Weihnachten
Weihnachten war in unserer Kinderzeit wohl das allerschönste Fest. Schöner noch, als unsere lustigen Geburtstagsfeiern mit den Freunden.
Selbst
in der Zeit, als wir noch arm waren, weil unser Vater im Westen keine
Arbeit hatte, verzauberten uns die Eltern das Weihnachtsfest immer zu
einem geheimnisvollen Märchen.
Schon
Tage zuvor sah man Spuren von Christkindls Engelshaar an manchen
Gegenständen hängen. Und auf der steilen Holztreppe, waren die
Abdrücke von Knecht-Ruprechts großen Stiefeln zu sehen. Das ganze
Haus roch nach Tannengrün und nach Omas Lebzelten. Dazu kam der Duft
von frisch gebackenem Weihnachts-Striezl und von zarten Plätzchen.
Und während wir unsere kleinen Gedichte lernten, flog auf einmal,
wir hatten es selbst gesehen, das Christkind am Fenster vorbei….
Oder man hörte auf der Straße die Glöckchen bimmeln, die den
himmlischen Schlitten zogen.
Das Christkind aber brachte uns nicht nur einen prächtigen Weihnachtsbaum, der vermutlich die abgesägte Spitze einer vom Sturm umgewehten Fichte war. Nein, es trug auch eine kleine Puppenstube, frisch bemalt und mit neuen Vorhängen versehen vom Himmel herab. Und es brachte dem älteren Bruder neu lackierte Kinderskier. Für mich hatte es sogar ein Kleid genäht, das aus dem gleichen Stoff bestand, wie die Vorhänge der Puppenstube… Was unser kleiner Bruder bekam, kann ich nicht sagen. Vielleicht seinen braunen Teddy, den er später immer auf dem Dreirad mitfahren liess? Wir alle waren wie verzaubert in diesen Tagen. Angesteckt durch die Erzählungen der Erwachsenen. Und entzückt durch die brennenden Kerzen und die alten schönen Lieder, die unsere Eltern mit uns sangen. Es war eine ganz merkwürdige gehobene Stimmung an diesem Fest.
Die
zweite Weihnachts-Überraschung
Aber dann, als wir schon alles ausgepackt und bestaunt hatten, kam noch eine weitere Überraschung dazu! Ein großes Paket wurde geöffnet, das mit der Bahn gekommen war und das nicht vom Christkind stammte, sondern von Muttis ehemaligem Klassenlehrer. Von dem Fachlehrer Grünwidl, der seinerzeit auch noch Chemie, Geometrie sowie Sport in der Bürgerschule von Petersdorf in Mähren unterrichtet hatte.
Dieser
alte Lehrer wurde, wie wir alle, 1945 aus seiner Heimat vertrieben.
Allerdings führte sein Transport nicht in den Süden, sondern
landete in Bad Hersfeld, in Hessen. Von dort aus übersiedelte der
ehemalige Lehrer dann mit seiner Mutter bis nach Wetzlar oder Gießen.
Hans Grünwidl war unverheiratet. Er stammte, wie unser Vater, aus der ehemaligen Jugendbewegung, dem Wandervogel. Nach seinem Studium übte er mit großer Begeisterung den Lehrerberuf aus. Dabei soll er sich auch, neben einem guten Unterricht, sehr fürsorglich um die Erziehung und um das Wohl jedes einzelnen Schülers gekümmert haben. Ganz im Sinne einer reformpädagogisch ausgerichteten Wandervogelbewegung.
Und
schon bald nach seiner Ankunft in Hessen, versuchte er über das Rote
Kreuz und über die Kirche, die neuen Aufenthaltsorte seiner
ehemaligen Schülerinnen und Schüler zu erfahren.
Allen, die er erreichen konnte, schickte er dann jedes Jahr um die Weihnachtszeit seine wunderbar gefüllten Pakete. Diese Pakete waren so schwer, dass sie mit der Bahn transportiert wurden. Und in jedem dieser großen Kartons lag das beste Obst und lagen die ausgesuchtesten getrocknenten Früchte fein verpackt.
So fanden auch wir Kinder darin die ersten Orangen unseres Lebens. Dazwischen die roten Weihnachts-Äpfel und die aufgefädelten Feigen neben Datteln, Nüssen und Mandeln. Auch eine ganze Kokosnuss lag dabei, die wir nach dem Fest von unserem Vater anbohren und aufsägen ließen, um das feste weiße Fleisch zu genießen.
Was wir aber nicht gleich erkannten und auch nicht genossen, waren die länglichen getrockneten Bananen.
Bananen
gab es zu dieser Zeit sonst noch nirgends zu kaufen. Erst durch die
amerikanischen Soldatenfamilien kamen später die frischen gelben
Früchte in unsere heimischen Läden.
Aber
getrocknete Bananen waren zu merkwürdig! Sie sahen nicht nur braun
und klebrig aus, sondern schmeckten wie eine misslungene Mischung aus
getrocknenten Datteln und Feigen. Für uns waren sie so etwas, wie
das Opfer, das wir bringen mussten, um uns an all den anderen
köstlichen Früchten zu erfreuen.
Und in den kindlichen Dankesbriefen lobten wir dann sogar noch diese getrockneten Bananen. Denn der großherzige Fachlehrer Grünwidl war ja fast schon wie ein zweites Christkind oder besser noch – wie ein echter Weihnachtsmann! Und den wollte man natürlich nicht kränken…
J.
A.
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Weihnachten war in unserer Kinderzeit wohl das allerschönste Fest. Schöner noch, als unsere lustigen Geburtstagsfeiern mit den Freunden.
Selbst in der Zeit, als wir noch arm waren, weil unser Vater im Westen keine Arbeit hatte, verzauberten uns die Eltern das Weihnachtsfest immer zu einem geheimnisvollen Märchen.
Schon Tage zuvor sah man Spuren von Christkindls Engelshaar an manchen Gegenständen hängen. Und auf der steilen Holztreppe, waren die Abdrücke von Knecht-Ruprechts großen Stiefeln zu sehen. Das ganze Haus roch nach Tannengrün und nach Omas Lebzelten. Dazu kam der Duft von frisch gebackenem Weihnachts-Striezl und von zarten Plätzchen. Und während wir unsere kleinen Gedichte lernten, flog auf einmal, wir hatten es selbst gesehen, das Christkind am Fenster vorbei…. Oder man hörte auf der Straße die Glöckchen bimmeln, die den himmlischen Schlitten zogen.
Das Christkind aber brachte uns nicht nur einen prächtigen Weihnachtsbaum, der vermutlich die abgesägte Spitze einer vom Sturm umgewehten Fichte war. Nein, es trug auch eine kleine Puppenstube, frisch bemalt und mit neuen Vorhängen versehen vom Himmel herab. Und es brachte dem älteren Bruder neu lackierte Kinderskier. Für mich hatte es sogar ein Kleid genäht, das aus dem gleichen Stoff bestand, wie die Vorhänge der Puppenstube… Was unser kleiner Bruder bekam, kann ich nicht sagen. Vielleicht seinen braunen Teddy, den er später immer auf dem Dreirad mitfahren liess? Wir alle waren wie verzaubert in diesen Tagen. Angesteckt durch die Erzählungen der Erwachsenen. Und entzückt durch die brennenden Kerzen und die alten schönen Lieder, die unsere Eltern mit uns sangen. Es war eine ganz merkwürdige gehobene Stimmung an diesem Fest.
Die zweite Weihnachts-Überraschung
Aber dann, als wir schon alles ausgepackt und bestaunt hatten, kam noch eine weitere Überraschung dazu! Ein großes Paket wurde geöffnet, das mit der Bahn gekommen war und das nicht vom Christkind stammte, sondern von Muttis ehemaligem Klassenlehrer. Von dem Fachlehrer Grünwidl, der seinerzeit auch noch Chemie, Geometrie sowie Sport in der Bürgerschule von Petersdorf in Mähren unterrichtet hatte.
Dieser alte Lehrer wurde, wie wir alle, 1945 aus seiner Heimat vertrieben. Allerdings führte sein Transport nicht in den Süden, sondern landete in Bad Hersfeld, in Hessen. Von dort aus übersiedelte der ehemalige Lehrer dann mit seiner Mutter bis nach Wetzlar oder Gießen.
Hans Grünwidl war unverheiratet. Er stammte, wie unser Vater, aus der ehemaligen Jugendbewegung, dem Wandervogel. Nach seinem Studium übte er mit großer Begeisterung den Lehrerberuf aus. Dabei soll er sich auch, neben einem guten Unterricht, sehr fürsorglich um die Erziehung und um das Wohl jedes einzelnen Schülers gekümmert haben. Ganz im Sinne einer reformpädagogisch ausgerichteten Wandervogelbewegung.
Und schon bald nach seiner Ankunft in Hessen, versuchte er über das Rote Kreuz und über die Kirche, die neuen Aufenthaltsorte seiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler zu erfahren.
Allen, die er erreichen konnte, schickte er dann jedes Jahr um die Weihnachtszeit seine wunderbar gefüllten Pakete. Diese Pakete waren so schwer, dass sie mit der Bahn transportiert wurden. Und in jedem dieser großen Kartons lag das beste Obst und lagen die ausgesuchtesten getrocknenten Früchte fein verpackt.
So fanden auch wir Kinder darin die ersten Orangen unseres Lebens. Dazwischen die roten Weihnachts-Äpfel und die aufgefädelten Feigen neben Datteln, Nüssen und Mandeln. Auch eine ganze Kokosnuss lag dabei, die wir nach dem Fest von unserem Vater anbohren und aufsägen ließen, um das feste weiße Fleisch zu genießen.
Was wir aber nicht gleich erkannten und auch nicht genossen, waren die länglichen getrockneten Bananen.
Bananen gab es zu dieser Zeit sonst noch nirgends zu kaufen. Erst durch die amerikanischen Soldatenfamilien kamen später die frischen gelben Früchte in unsere heimischen Läden.
Aber getrocknete Bananen waren zu merkwürdig! Sie sahen nicht nur braun und klebrig aus, sondern schmeckten wie eine misslungene Mischung aus getrocknenten Datteln und Feigen. Für uns waren sie so etwas, wie das Opfer, das wir bringen mussten, um uns an all den anderen köstlichen Früchten zu erfreuen.
Und in den kindlichen Dankesbriefen lobten wir dann sogar noch diese getrockneten Bananen. Denn der großherzige Fachlehrer Grünwidl war ja fast schon wie ein zweites Christkind oder besser noch – wie ein echter Weihnachtsmann! Und den wollte man natürlich nicht kränken…
J. A.
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