Das Gemeindekind – Roman von Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)
Das Gemeindekind ist 1887 zunächst als Fortsetzungsroman in einer sozialkritischen Zeitschrift (Deutsche Rundschau) erschienen. Da mir bisher nur eine schlichte Reclam-Ausgabe vorlag, die mich an meine Schulzeit erinnerte, hatte ich das gelbe Heftchen kaum beachtet. Und doch enthält es eine der aufregendsten und berührendsten Geschichten…
Erstaunlich finde ich nur, dass ausgerechnet eine Adelige auf die prekäre Not des einfachen Volkes hinweisen musste. Dabei setzt sie das Elend der ländlich Benachteiligten mit der Not des neu entstandenen Proletariats gleich, welches sie auf eine realistische, feinfühlige, aber vor allem psychologisch stimmige Weise zeichnet.
Eine Dorfgemeinschaft, fern jeder Schäferidylle!
Und doch sind auch hier die Not und der Hass veränderbar, sind heilbar durch eigene Kraft und zähen Willen – aber auch durch Hilfe von außen. Eine besondere Rolle spielt hierbei der alte Dorfschullehrer Habrecht, der dem unglücklichen Jungen immer wieder Mut und Selbstachtung vermittelt. Institutionen wie Kirche und Adel dagegen, von denen man eigentlich Hilfe hätte erwarten können, spielen nur eine schwache Rolle.
Aber nun endlich zu dem Inhalt des Romans.
Der junge Pavel Holub bleibt nach der Hinrichtung seines Vaters, eines reisenden Ziegelformers, Trunkenbolds und Raubmörders und der Haftstrafe seiner Mutter, mit der kleinen Schwester als Halbwaise zurück. Während das niedliche Mädchen Milada von der alten Land-Baronin aufgenommen wird, bleibt der 13 jährige Bruder der Dorfgemeinde überlassen. Widerwillig wird er dem bettelarmen und versoffenen Schäfer Virgil gegen Naturalien anvertraut.
Ein Leben voller Falschheit, Hunger, Trotz und Verlusten muss der sensible Junge durchstehen. Bis er schließlich aus eigener Kraft – und ohne Bitterkeit – mit seiner Mutter ein achtungsvolles, „ein brauchbares Leben“ neu beginnen kann.
„Die Ärgsten werden oft die Besten, wenn sie einen brauchen.“ So endet der Roman.
J. A.
Foto aus Vatis Album
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