Reiseberichte

Maria Laach

Ein wieder entdeckter Text über eine gemeinsame Tagung der „Christlichen – und Katholischen Ärzte“ in dem Benediktinerkloster Maria Laach (erbaut 1093)

Die Landschaft gehört zu den spärlichst besiedelten Gebieten Deutschlands. Und das Kloster Maria Laach hat nichts mit der lachenden „Maria Laach“ in der Wachau zu tun. Steil und ernst ragen hier die dunkeln Türme hinter den kahlen Buchenkronen empor. Und ebenso klar und fast düster wirkt auch die dreischiffige romanische Basilika. Eine Perle romanischer Baukunst wird sie genannt. Mit Ost – und Westchor, mit 6 Türmen, Krypta und Kreuzgang. Fast zierlich dagegen die Vorhalle, das sogenannte Paradies, ein beeindruckend schönes Beispiel der frühen Gotik. Seitlich zur Kirche befinden sich dann die zweistöckigen Klostergebäude mit ihren Wohn- und Funktionsräumen und einer umfangreichen Bibliothek. Im hinteren Hof vermuten wir noch einige ältere Werkstätten, vielleicht auch ehemalige Stallgebäude und eine Schreinerei, die jetzt verpachtet sein soll. Denn nur 53 Benediktinermönche leben zur Zeit noch in dieser Abtei. 

Unterhalb des Klosters liegt dann, fast wie als Gegenstück zu dieser klösterlichen   Zurückgenommenheit noch ein luxuriöses Hotel mit modernen Konferenzräumen und Speisen à la carte. Zur Straße hin aber ebenso geschützt durch eine Mauer und zum Himmel hin überschattet von einer mächtig ausladenden Eiche. Vor dem Hotel führt eine breite Autostrasse den Berg hinauf. Und ein Stück weiter unten glitzert zwischen den Bäumen das Wasser eines Sees herüber. Der Laacher See, ein tiefer und mit eisklarem Wasser gefüllter vulkanischer Krater. Maare, werden solche Seen hier genannt und es sollen weiter oben in den Bergen der Eifel noch einige dieser glasklaren Wasserbecken zu sehen sein. Die Landschaft würde sich gut zum Wandern eignen. Sonst ist sie eher durch ihre Witterung benachteiligt und wird darum vor allem als Weideland genutzt. Immerhin gedeihen hier sehr schmackhafte Äpfel. Laacher Äpfel gibt es auch in der sehenswerten Klostergärtnerei zu kaufen, neben farbenprächtigen Blumen, Kräutertees, Blumensamen und runden Kakteen. Der gepflasterte Weg dorthin, wie auch die meisten der umliegenden Gebäude besteht aus harten, schwarzen Blöcken von Basalt, aus Schiefer und manchmal auch aus dem leichteren, helleren Tuffstein. Gesteine, die alle dem Vulkan entstammen, der hier um 9000 v. Ch. ausgebrochen war. Und der selbst noch den weiten Feldern und spitz zulaufenden Anhöhen durch den Abbau des durch die Eruption angewehten Bims-Staubes ihre heutige Form und Farbe gegeben hat.  

 

Eingeladen nach  „Maria Laach“ hatten diesmal die „Katholischen Ärzte“ zu dem Thema „Leben ist Beziehung, Rückfrage bei Martin Buber.“ Der einführende Referent kam von der Religionsphilosophischen Fakultät der TU  Dresden. René Kaufmann, ein junger Mann noch, M. A., souverän und zielbewusst. Seine „Einführung in Leben und Dialogphilosophie Martin Bubers.“ wirkte demnach auch sehr gut vorbereitet, klar formuliert, mit eingeblendeten Daten und besonders berührenden Fotos aus Martin Bubers Leben.

Martin Buber wurde 1878 in Wien geboren, wuchs aber bei seinen Großeltern in Lemberg auf, studierte später in Wien und lebte und arbeitete mit Rosenzweig in Frankfurt am Main.  1938 emigrierte er nach Jerusalem, wo er 1965 starb. Kaufmann bezeichnet Buber als einen  “Kultur“-Zionisten, Pädagogen, Mystikforscher, Bibelübersetzer und seit 1913 als den Begründer der neuen Dialogphilosophie mit ihrer Nähe zur Ethik. (Neben  Husserl, Rosenzweig und Levinas.) Schon ein Jahr vorher wendet sich Martin Buber von seiner positiven Einstellung zur ekstatischen Mystik der Chassidim ab, weil der Mystiker nach seiner Deutung nicht die Beziehung zur Gemeinschaft suche, sondern alles in sich selber aufnehme.  In seiner berühmtesten Aufzeichnung „Ich und Du“ erklärt er die menschliche Sprache in ihrer Spannung zwischen Urdistanz und Beziehung. „Die Welt ist dem Menschen zwiefältig.“

So sind auch die Grund-Urworte „Ich und Du“, sowie „Ich und Es“, Seinshaltungen des Erfahrens und Begegnens. Man könne auch „Ich und Es“ als „verdingliche Beziehung“ bezeichnen, im Gegensatz zu „Ich und Du“, als „direkte gegenseitige anerkennende Beziehung  – bzw. Begegnung“.

„Menschsein heißt, das gegenüberstehende Wesen zu sein.“ „Jedes geeinzelte Du aber ist eine Verlängerung zum göttlichen Du.“  So dass die „dialogische Beziehung“ auch als „religiöse Beziehung“ bezeichnet werden kann.

Wendet man nun dieses Denken auf das Arzt-Patientenverhältnis an, so könnte man diese Achtung des „Ichs meines Gegenübers“, also dieses „Ich und Du – Verhältnis“ zum ethischen Maß nehmen. Abgesehen von besonderen Konstellationen in denen ein distanzierendes Erkennen angebracht oder sogar nötig sein kann, um im akuten Fall helfen zu können oder um neue Einsichten zu gewinnen. Manchmal sei diese Distanz auch als Selbstschutz des behandelnden Arztes, z. B. vor dem Burnout-Syndrom nötig.  Oder als ein distanziertes Erkennen bei der Besprechung von Untersuchungsergebnissen. Denn „Ohne das Es kann der Mensch nicht leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht der Mensch!“ „Heilen aber kann nur der Gegenüberstehende.“ So dass im Arzt- Patientenverhältnis beide Verhältnisse möglich und nötig sind.

 

In der zweiten Hälfte des Tages wurde uns der äußerst reichhaltige Vortrag von Prof. emer. Dr. Bernhard Casper, Lehrstuhl für Religionsphilosophie der Univers. Freiburg i. Br. über die „Grundzüge des dialogischen Denkens“ geboten. Aus der Fülle dieser  Gedanken kann ich hier leider nur einige Punkte weitergeben, weil es einfach unmöglich war, in dieser Geschwindigkeit mitzunotieren. Beginnend von den beiden Formeln Franz Rosenzweigs für die transzendentalen Horizonte von Wirklichkeit:

Welt: A = B, Selbst–sein des Menschen: B = B

Auf den Patienten bezogen könne man auch sagen, dass die genauesten Ergebnisse einer noch so gründlichen Untersuchungsreihe dennoch nicht den vollen Menschen ergeben. 

So begann auch er bei Bubers „Ich und Du“ Gedanken, der Zwiefältigkeit des Menschen nach seiner Haltung, die hinwieder zwiespältig ist, nach der Zwiefalt der Grundworte, die er sprechen kann. Es sind die Wortpaare „Ich und Du“, und das andere Grundwortpaar „Ich und Es“. Somit ist selbst das „Ich“ des Menschen zwiefältig, weil das „Ich“ des Grundwortes „Ich und Du“ ein anderes ist als das „Ich“ des Grundwortes „Ich und Es“. 

Rosenzweig aber, der Freund, Kollege und Mit-Bibel-Übersetzer von Martin Buber bringt noch eine weitere Dimension in das Denken: „die Zeit“. Er verwendet dafür eine andere Definition, als wir sie von den alten Griechen her kennen, nämlich als „Zeit brauchen“ das  heißt: nichts vorwegnehmen zu können, alles abwarten müssen, mit dem Eigenen vom Anderen abhängig zu sein. Rosenzweig entdeckt die Zeit in der Beziehung der Menschen, der Geschichte, der Zeit mit sich selbst etwas zu beginnen, die Zeit ernst zu nehmen.

In diesem Zusammenhang verweist Casper auch auf das Gebet.   

Der Unterschied zwischen dem alten und neuen, dem logischen und dem grammatikalischen Denken liege nicht in laut und leise, sondern im „Bedürfen des Anderen“ und, was dasselbe ist, im „Ernstnehmen der Zeit“! 

Auch Emmanuel Levinas, Schüler von Husserl,  beschreibt in seiner Lehre der Phänomenologie diesen Faktor Zeit. „Die Kunst des Lebens besteht darin Zeit zu verlieren.“ 

Als einziger Überlebender einer durch den Nationalsozialismus ermordeten jüdischen Familie, vertritt er dennoch eine völlig liebenswerte Philosophie der Ethik. Er verweist auf die reinste Beschreibung dieser „Ich und Du“ Beziehung in der hebräischen Bibel in Jesaias, sowie im Neuen Testament bei Mathäus, wo auch das Mitleiden beschrieben wird: „Ich war hungrig und ihr habt mich nicht genährt…..etc.“ Einer seiner wichtigsten Aussprüche lautet: „Lieber Unrecht erleiden, als Unrecht tun.“ Und „Der Mensch ist „Leib-bürge“ (Geisel) für den Anderen.“

Nach diesen bescheidenen Versuchen, die beiden schwierigen Vorträge einigermaßen korrekt zusammenzufassen und an euch weiterzugeben, möchte ich schließen. Wie bereits berichtet, waren wir Beide im Kloster untergebracht.  Eure Jo – Mama